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Aufstand und militärisches Eingreifen – der versuchte Staatsstreich der USA und NATO in Libyen?
Veröffentlicht von Prof. Michel Chossudovsky in Ausland • 09.03.2011
Die USA und die NATO unterstützen einen bewaffneten Aufstand im Osten Libyens in der Absicht, ein »Eingreifen aus humanitären Gründen« zu rechtfertigen.

Hier geht es nicht um eine gewaltfreie Protestbewegung wie in Ägypten oder Tunesien. Die Lage in Libyen ist grundsätzlich anders geartet. Der bewaffnete Aufstand im Osten Libyens wird direkt von ausländischen Mächten unterstützt. Dabei ist von Bedeutung, dass die Aufständischen in Bengasi sofort die rot-schwarz-grüne Flagge mit dem Halbmond und dem Stern hissten – die Flagge der Monarchie unter König Idris, die die Herrschaft der früheren Kolonialmächte symbolisiert.

Militärberater und Sondereinheiten der USA und der NATO befinden sich bereits vor Ort. Die Operation sollte eigentlich mit den Protestbewegungen in den benachbarten arabischen Staaten zusammenfallen. Der Öffentlichkeit sollte glauben gemacht werden, die Proteste hätten spontan von Tunesien und Ägypten auf Libyen übergegriffen.

Die Regierung Obama unterstützt derzeit in Abstimmung mit ihren Alliierten einen bewaffneten Aufstand, und zwar einen versuchten Staatsstreich:

»Die Regierung Obama steht bereit, den Libyern ›jede Unterstützung‹ zu gewähren, um Muammar al Gaddafi zu vertreiben«, erklärte die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton am 27. Februar. »Wir sind dabei, Kontakte zu vielen unterschiedlichen Libyern zu knüpfen, die versuchen, im Osten, und wenn sich die Revolution nach Westen ausbreitet, auch dort [etwas] zu organisieren. Ich denke, es ist noch viel zu früh, um zu sehen, wohin die Entwicklung geht, aber wir werden bereit sein, jede Art von Unterstützung zu gewähren, die von den USA gewünscht wird.«

In den östlichen Landesteilen, in denen die Rebellion Mitte des vergangenen Monats begann, bemüht man sich bereits um die Bildung einer provisorischen Regierung.

Die USA, erklärte Clinton weiter, drohten dem Gaddafi-Regime mit weiteren Maßnahmen und Sanktionen, ohne allerdings konkrete Beispiele zu nennen oder sich auf einen Zeitpunkt festzulegen.

[Der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat und Senator] John McCain meinte, die USA sollten »die provisorische Regierung anerkennen, die man gerade zu bilden versucht …« Ähnlich äußerte sich auch Senator Joseph Lieberman, der »handfeste Unterstützung, die Einrichtung einer Flugverbotszone, die Anerkennung der revolutionären Regierung, eine Bürgerregierung und deren Unterstützung durch humanitären Maßnahmen« forderte, »und ich würde sie auch mit Waffen versorgen.« (»Clinton: US Ready to Aid to Libyan Opposition«, Associated Press, 27. Februar 2011)

Die geplante Invasion
Derzeit erwägen die USA und NATO eine militärische Intervention unter einem »humanitären Mandat«.

»Die USA verlegen Marine- und Luftwaffeneinheiten in die Region«, um »das ganze Spektrum an Optionen einer Konfrontation mit Libyen vorzubereiten: Dies kündigte Pentagon-Srecher Oberst Dave Lapan am 1. März an. Weiter erklärte er: »Präsident Obama hat das Militär gebeten, sich auf diese Optionen vorzubereiten, da sich die Lage in Libyen verschlechtere.« (Manlio Dinucci, »Preparing for ›Operation Libya‹: The Pentagon is ›Repositioning‹ its Naval and Air Forces …«, in: Global Research, 3. März 2011, Hervorhebungen durch den Verfasser)

Hinter »Operation Libya« steht aber nicht das Ziel, demokratische Verhältnisse zu schaffen, sondern sich der Erdölreserven Libyens zu bemächtigen, die staatseigene National Oil Corporation (NOC) zu destabilisieren und möglicherweise die Erdölindustrie des Landes zu privatisieren, wobei vor allem die Kontrolle und der Besitz des libyschen Erdölreichtums in ausländische Hand übergehen sollen. Die National Oil Corportion nimmt unter den weltweit 100 führenden Erdölkonzernen den 25. Platz ein. (Der auch online verfügbare Wirtschafts-Nachrichtendienst Energy Intelligence führt die NOC auf Platz 25 der weltweit führenden 100 Unternehmen. – Libyaonline.com)

Libyen gehört mit etwa 3,5 Prozent der weltweiten Erdölreserven, die damit doppelt so groß wie die amerikanischen Lagerstätten sind, zu den führenden Erdöllieferanten. Die Erdölwirtschaft liefert etwa 70 Prozent des BIP des Landes. (Weitere Details im zweiten Teil dieses Artikels: »Operation Libya« und der Krieg ums Erdöl)

Die geplante Invasion Libyens, die bereits schon begonnen hat, ist Teil des umfassenderen »Kampfs um Erdöl«. Praktisch 80 Prozent der libyschen Erdölreserven befinden sich im Sirte-Becken in Ostlibyen.

Die strategischen Einschätzungen hinter »Operation Libya« erinnern an frühere Militäroperationen der USA und NATO in Jugoslawien und dem Irak. In Jugoslawien lösten die amerikanischen und NATO-Kräfte einen Bürgerkrieg aus. Dahinter stand die Absicht, politische und ethnische Spaltungen loszutreten, die dann möglicherweise zur Aufspaltung des gesamten Landes führen könnten. Dieses Ziel wurde unter anderem durch die verdeckte Finanzierung und Ausbildung bewaffneter paramilitärischer Einheiten zunächst in Bosnien (bosnisch-moslemische Armee, 1991–1995) und später im Kosovo (Befreiungsarmee des Kosovo, UCK, 1998–1999), erreicht. Sowohl in Bosnien als auch im Kosovo wurde über gezielte Medien-Desinformation (darunter Lügen und Fälschungen) versucht, die von den USA und der EU verbreitete Behauptung, die Regierung in Belgrad habe Kriegsverbrechen begangen, zu untermauern, um so eine militärische Intervention aus humanitären Gründen zu rechtfertigen.

In fast schon zynischer Weise wird nun die »Operation Yugoslavia« als Vorbild von amerikanischen Außenpolitikern herangezogen: Senator Lieberman verglich »die Lage in Libyen mit den Ereignissen auf dem Balkan in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als er sagte, die USA hätten damals interveniert, um einen Völkermord an den Bosniern aufzuhalten. »Als Erstes lieferten wir ihnen Waffen, damit sie sich selbst verteidigen konnten. Ich bin der Ansicht, das sollten wir auch in Libyen so machen.« (»Clinton: US Ready to Aid to Libyan Opposition«, Associated Press, 27. Februar 2011)

Das strategische Szenario sieht vor, die Bildung und die internationale Anerkennung einer Übergangsregierung in der abtrünnigen Provinz zu fördern, was möglicherweise zu einer Spaltung des Landes führen könnte.

An der Umsetzung dieser Option wird derzeit schon gearbeitet. Die Invasion Libyens hat bereits begonnen.

»Hunderte amerikanische, britische und französische Militärberater sind in der Kyrenaika, der abtrünnigen östlichen Provinz Libyens, eingetroffen … Die Berater, unter ihnen auch Angehörige der Nachrichtendienste, wurden am Donnerstag, dem 24. Februar, in den Küstenstädten Bengasi und Tobruk von Kriegsschiffen und Flugkörperschnellbooten aus an Land gebracht.« (DEBKAfile, »Amerikanische Militärberater in Kyrenaika eingetroffen«, 25. Februar 2011)

Sondereinsatzkräfte der USA und ihrer Verbündeten befinden sich bereits vor Ort und liefern den Rebellen verdeckte Unterstützung. Dies wurde bekannt, als britische SAS-Sonderkommandos in der Region um Bengasi verhaftet wurden. Sie operierten als Militärberater der Oppositionskräfte:

»Für acht Angehörige einer britischen Spezialeinheit, die sich auf einer geheimen Mission befanden, um britische Diplomaten mit führenden Oppositionellen gegen Oberst Muammar Gaddafi in Kontakt zu bringen, endete der Einsatz ziemlich demütigend, als sie von Aufständischen in Ostlibyen festgenommen wurden«, berichtete die Sunday Times am 6. März 2011. Die Männer, die Zivilkleidung trugen, behaupteten, sie hätten den Auftrag, sich über die Bedürfnisse der Opposition zu informieren und ihnen Hilfe anzubieten.« (»Top UK commandos captured by rebel forces in Libya«, in: Indian Express, 6. März 2011, Hervorhebung durch den Verfasser)

Die SAS-Angehörigen wurden verhaftet, als sie eine britische »diplomatische Mission« begleiteten, die illegal in das Land eingereist war (zweifellos von einem britischen Kriegsschiff aus), um mit führenden Vertretern der Aufständischen zu sprechen. Das britische Außenministerium bestätigte inzwischen, dass »eine kleine Gruppe britischer Diplomaten nach Ostlibyen entsandt worden sei, um erste Kontakte zu den Oppositionellen, die die Unterstützung der Aufständischen genießen, zu knüpfen.« (»U.K. diplomatic team leaves Libya«, in: World – CBC News, 6. März 2011)

Berichte wie diese bestätigen nicht nur die militärische Intervention des Westens (darunter einige hundert Angehörige von Spezialeinheiten), sondern machen auch deutlich, dass die Aufständischen die illegale Anwesenheit ausländischer Truppen auf libyschem Boden strikt ablehnen:

»Der SAS-Einsatz hat die libyschen Oppositionellen verärgert, die befahlen, die Soldaten sollten in einem Militärstützpunkt eingesperrt werden. Die Gegner Gaddafis befürchten, dieser könne jede Beweise für eine westliche militärische Einmischung ausnutzen, um patriotische Unterstützung für sein Regime hervorzurufen.« (Reuters, 6. März 2011)

Und die britische Zeitung Sun meldete am 7. März, bei dem verhafteten britischen »Diplomaten«, der von sieben SAS-Angehörigen begleitet wurde, habe es sich um einen Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes MI-6 gehandelt.

Durch Stellungnahmen der USA und der NATO wurden inzwischen auch Waffenlieferungen an die oppositionellen Kräfte bestätigt. Hinzu kommen bisher nicht bestätigte Hinweise, dass den Aufständischen bereits vor den Angriffen [der libyschen Armee] Waffen geliefert wurden. Es gilt zudem als sehr wahrscheinlich, dass sich bereits auch Militär- und Geheimdienstberater der USA und der NATO vor den Unruhen im Land befanden. Auch im Kosovo wurde ähnlich vorgegangen: Sondereinheiten unterstützten und bildeten die UCK in den Monaten vor den Luftangriffen 1999 und der anschließenden Invasion Jugoslawiens aus.

Nach jüngsten Berichten konnten die libyschen Regierungseinheiten allerdings einige von den Rebellen kontrollierte Positionen zurückerobern:

»Die Großoffensive der Pro-Gaddafi-Kräfte, die [am 4. März begann und] das Ziel verfolgt, die wichtigsten Städte und Erdölzentren den Aufständischen wieder zu entreißen, führte [am 5. März] zur Rückeroberung der wichtigen Stadt Sawija und der meisten der wichtigen Erdölstädte rund um den Golf von Sirte. In Washington und London erlitt die Forderung nach einem militärischen Eingreifen einen Dämpfer, als man erkannte, dass die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse vor Ort über beide Seiten des libyschen Konflikts zu lückenhaft war, um als Grundlage für Entscheidungen zu dienen.« (»Qaddafi pushes rebels back. Obama names Libya intel panel«, in: DEBKAfile, 5. März 2011, Hervorhebung durch den Verfasser)

Die Oppositionsbewegung ist über die Frage einer ausländischen Einmischung stark gespalten. Dabei stehen sich die Basisbewegungen einerseits und die von den USA unterstützten »Führungskader« des bewaffneten Aufstandes andererseits gegenüber, wobei letztere ein militärisches Eingreifen aus »humanitären Gründen« befürworten. Die Mehrheit der libyschen Bevölkerung, sowohl Gefolgsleute wie Gegner des Regimes, lehnen einhellig jede Einmischung von außen ab.

Desinformation durch die Medien
Die weiterreichenden strategischen Ziele, die der vorgeschlagenen Invasion zugrunde liegen, finden in der Berichterstattung der Medien keine Erwähnung. Nach den Vorgaben einer doppelzüngigen Medienkampagne, in deren Verlauf Nachrichten und Meldungen ohne Bezug auf die realen Ereignisse vor Ort gefälscht werden, ist ein Großteil der internationalen »veröffentlichten Meinung« auf eine unbedingte Unterstützung einer militärischen Einmischung aus humanitären Erwägungen eingeschwenkt.

Diese Invasion wird in den Planungsstäben des Pentagon bereits ausgearbeitet. Sie soll ungeachtet der Forderungen der libyschen Bevölkerung durchgezogen werden, obwohl die Gegner des Regimes ihre Ablehnung einer militärischen Einmischung, die sie als Verletzung der Souveränität ihrer Nation sehen, deutlich gemacht haben.

Einsatz der Marine und der Luftwaffe
Sollte es zu dieser militärischen Intervention kommen, wäre die Folge ein offener Krieg, der als »Blitzkrieg« geführt werden soll, was Luftangriffe auf militärische und zivile Ziele einschließt. In diesem Zusammenhang drohte der Kommandeur des Amerikanischen Zentralkommandos (USCENTCOM), General James Mattis, unverhohlen, die Einrichtung einer »Flugverbotszone« schlösse praktisch umfassende Luftangriffe ein, die sich auch gegen die libysche Luftverteidigung richte:

»Es würde sich um eine Militäroperation handeln – es ginge nicht nur darum, den Menschen zu sagen, sie sollten keine Flugzeuge mehr benutzen. Man muss die Luftverteidigungskapazitäten zerschlagen, um eine Flugverbotszone einzurichten, da darf man sich keine Illusionen machen.« (»U.S. general warns no-fly zone could lead to all-out war in Libya«, in: Mail Online, 5. März 2011, Hervorhebung durch den Verfasser)

Bereits jetzt sind massive Marieneinheiten der USA und ihrer Verbündeten vor der libyschen Küste in Position gegangen. Das Pentagon verlegt weitere Kriegsschiffe ins Mittelmeer. Die Trägerkampfgruppe um den Flugzeugträger USS Enterprise hatte bereits wenige Tage nach den ersten Unruhen den Suez-Kanal passiert. Auch das amphibische Transportschiff USS Ponce und das amphibische Angriffsschiff USS Kearsarge wurden in das Mittelmeer verlegt.

Ferner wurden 400 Marineinfanteristen »im Vorfeld ihres Einsatzes auf Kriegsschiffen vor der libyschen Küste« auf die griechische Insel Kreta verlegt. (»›Operation Libya‹«: US Marines on Crete for Libyan deployment«, in: Times of Malta, 3. März 2011)

In der Zwischenzeit haben auch Deutschland, Frankreich, England, Kanada und Italien damit begonnen, Kriegsschiffe in Richtung libyscher Küste zu entsenden. Deutschland hat den Einsatz dreier Kriegsschiffe unter dem Vorwand, bei der Evakuierung von Flüchtlingen an der libysch-tunesischen Grenze helfen zu wollen, angeordnet. »Frankreich schickt seinen Hubschrauberträger Mistral, der nach Angaben des Verteidigungsministeriums die Evakuierung einiger tausend Ägypter unterstützen soll.« (»Towards the Coasts of Libya: US, French and British Warships Enter the Mediterranean«, in: Agenzia Giornalistica Italia, 3. März 2011.) Kanada entsendet seine Fregatte HMCS Charlotttown.

Zusätzlich soll auch die Siebzehnte Luftflotte der USA (mit Namen US Air Force Africa, die auf dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Ramstein in Deutschland stationiert ist) bei der Evakuierung der Flüchtlinge helfen. Andere Luftwaffenstützpunkte der USA und der NATO in England, Italien, Frankreich und dem Nahen und Mittleren Osten sind ebenfalls einsatzbereit.



Über was man so am Stammtisch erzählt